Eine Straße in Kaiserslautern nach der Reichspogromnacht
Unzälige Menschen wurden unter der nationalsozialistischen Herrschaft erniedrigt, verfolgt und verschleppt. Erna de Vries ist eine von vielen. Dennoch bleibt ihr Schicksal ein Besonderes: Nur wenige Frauen haben wie sie eine Nacht im Todesblock 25 in Auschwitz-Birkenau verbracht und überlebt. Die folgenden Seiten schildern ihre bewegende Geschichte.
Die Reichspogromnacht

In Kaiserslautern findet die Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 statt. Am frühen Morgen des 10. November wird die Familie Korn von einem ehemaligen Angestellten, der auf seinem Weg durch die Stadt Zeuge der dortigen Ausschreitungen geworden ist, gewarnt.

Nichtsdestotrotz macht sich Erna Korn wie gewohnt auf den Weg zur Arbeit. Nach einer Stunde erreichen bewaffnete Trupps der SA auch die jüdische Wäschenäherei. Allen Angestellten wird befohlen, das Gebäude zu verlassen und sich in einer Reihe aufzustellen. Die  jüdischen Angestellten müssen vortreten. Aus Sorge um ihre Mutter leistet Erna Korn dem Befehl nicht Folge, sondern läuft nach Hause und berichtet von ihren Erlebnissen.

In ihrer Angst, ebenfalls zum Opfer des Pöbels zu werden, fliehen Mutter und Tochter zum Grab des Vaters. Auf dem christlichen Friedhof hoffen sie in Sicherheit zu sein. Nach kurzer Zeit kehrt Erna Korn gegen den Willen ihrer Mutter zum elterlichen Haus zurück. Sie möchte wissen, was dort geschieht. Mit eigenen Augen muss sie mit ansehen, wie ihr Zuhause von einer wütenden Menschenmenge verwüstet wird.

Ich merkte auch, dass meine Mutter hilflos war, wie mehr oder weniger alle Juden, und dass sie mir nicht helfen konnte. Von da an bin ich nicht mehr mit meinen kleinen Sorgen zu ihr gekommen, weil ich wusste ich will sie nicht noch mehr belasten, sie hat schon genug am Kopf.
Ich sage immer, in diesem Moment bin ich eigentlich erwachsen geworden. Ich wusste, mit uns kann man machen was man will. Wir sind vogelfrei, jeder kann mit uns umgehen und umspringen wie er will. Erna de Vries, 2006

Nachdem sich der Pöbel zurückgezogen hat, kehrt Erna zurück zum Friedhof und holt ihre Mutter. Während beide das Ausmaß der Verwüstung betrachten, klopft es an der Tür. Ein Beamter der Kriminalpolizei fordert sie auf, die Stadt noch am selben Abend zu verlassen. Kaiserslautern soll „judenfrei“ werden. In ihrer Not fliehen sie zu Verwandten nach Köln. Doch schon Ende November kehrt Jeanette Korn nach Kaiserslautern zurück und setzt das Haus notdürftig wieder instand. Ihre Tochter folgt ihr an Weihnachten.

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